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Hunde beißen selten ohne Grund – Ursachen für Bisse

Hunde beißen selten ohne Grund – Ursachen für Bisse

Am 24. September 2024 aktualisiert

3 Mio. Leser jährlich beraten
© Igor Normann stock.adobe.com – ID:210815347

Die Gesellschaft scheint zwiegespalten. Während Liebhaber ihre Hunde verhätscheln, gibt es Hundehasser, die Vierbeiner anleinen und sie höchstens mit Fußfesseln und Maulkörben im Freien dulden. Was ist der Hund nun – bester Freund oder beißende Bestie? Fakt ist, dass nichts häufiger und emotionaler öffentlich diskutiert wird als das Aggressionsverhalten von Hunden. Dabei sind sie, wie ihre Urahnen, die Wölfe, auch sehr soziale Tiere.

Ein großer Teil ihrer „aggressiven“ Verhaltensweisen gehören zum normalen Hundeverhalten. Sie müssen durch richtigen Umgang gelenkt werden. Oft ist aber genau dieser Mangel an Wissen über das Wesen des Hundes, seine Bedürfnisse und Verhaltensweisen die Ursache dafür, dass Missverständnisse und Probleme zwischen Hund und Mensch entstehen. Allerdings nie „von einem Tag auf den anderen“, wie Mensch sich selbst oft gern glauben machen möchte.

Ursachen für Bisse

Statistisch bewiesen passiert die Mehrzahl der Beißunfälle innerhalb der eigenen vier Wände, mit dem ganz normalen „Haushund“. Es sind also nicht die medienwirksam ausgeschlachteten Ausnahmen von plötzlichen Hundeangriffen auf Personen die Regel. Die Gründe, warum Hunde beißen können, sind vielfältig. Sie verteidigen ihr Territorium oder Ressourcen, haben Angst, Schmerzen, Stress, sind frustriert, wollen dominieren oder ihre Welpen beschützen. Beißen sie tatsächlich zu, ist es zumeist in einem Versäumnis oder Fehlveralten des Menschen zu begründen.

Angstmotivierte Aggression

Ein nicht auf vielfältige Art sozialisierter Welpe ist als erwachsener Hund unsicher, schreckhaft, hat Angst und fühlt sich stets bedroht. Trotz seines instabilen Nervenkostüms wird er Aggression immer als letzte Möglichkeit der Abwehr einsetzen. Denn sein Angriff kann immer einen Gegenangriff (egal ob Artgenosse oder Mensch) nach sich ziehen. Er wird verschiedene (beschwichtigende) Signale setzen und versuchen, der Situation so zu entgehen.

Wird der Hund allerdings nicht verstanden und Mensch verhält sich falsch, kann der Vierbeiner in Erwartung von angreifen. Hat das Tier erst einmal gelernt, dass er (nur) durch ein aggressives Verhalten zum Ziel kommt, lässt sich sein Vertrauen nur schwer wieder gewinnen. Es wird dann immer wieder diesen Erfolg versprechenden Lösungsansatz wählen. Eine Resozialisierung wird langwieriger, in manchen Fällen bisweilen auch schwierig.

Aggression bei „Chef-Allüren“

Hunde werden nicht bissig, weil sie einer bestimmten Rasse oder Größe zuzuordnen sind. Es gibt jede Menge „tiefergelegte“ Terrier, Dackel oder Chihuahuas, die ihre Besitzer tyrannisieren. Hunde beißen zu, wenn sie nicht liebevoll und konsequent erzogen werden, ihnen keine Grenzen aufgesetzt und sie bei Fehlverhalten nicht in ihre Schranken verwiesen werden.

Einen Hund nur zu lieben reicht nicht aus und führt zumeist dazu, dass die Tiere vermenschlicht werden. Ihnen werden Sichtweisen sowie ein Denkvermögen unterstellt, welches sie in der menschlichen Form nicht leisten können. Hunde sind allerdings Meister darin, Stimme, Mimik und Körperhaltung ihrer Menschen zu beobachten und zu deuten. Leider gehen diese damit oft unbedacht und damit uneindeutig um. Mensch versteht Hund also nicht und Hund hat keine Chance, Mensch zu verstehen. Wenn aber die Kommunikation zwischen beiden nur fehlerhaft funktioniert, wird der Hund verunsichert.

Als Rudeltier braucht er Führung, jemanden, der souverän Entscheidungen trifft, der Fehlverhalten korrigiert, sicher durch den Alltag und durch neue, unbekannte Situationen sowie Begegnungen mit Fahrrädern, Lärm, etc. und nicht zuletzt mit Artgenossen führt.

Wenn Mensch hier Aufgaben als Rudelführer nicht wahrnimmt, übernimmt der Hund kurzerhand die Führung. Damit ist er natürlich überfordert, denn er reagiert instinktiv und nicht logisch. Nicht selten wird also der vorbeifahrende Radfahrer als weglaufendes Beutetier oder auch als Angreifer interpretiert, was zuweilen in einem sehr schmerzhaften Missverständnis für den Radfahrer endet.

Souveränität heißt nicht Gewalt

Zeigt der Hund vermehrt „Fehlverhalten“, neigt der unwissende Hundehalter leider nicht selten dazu, über Druck und Gewalt gegen den Hund vorzugehen. Ein Leinenruck hier, lautes Rumgeschnauze da, schnell mal ein Führhalfter umgeschnallt oder einfach Probleme verdrängen, und der Hund bleibt angeleint. Fiffi kann diese Bestrafung nicht verstehen, denn er hat aus seiner Sicht richtig gehandelt. Vor Angst zeigt er zunächst Meideverhalten, funktioniert eine Zeit lang, doch meist entsteht ein neues Problem.

Nach einiger Zeit wird der Hund aggressiv auf Drohungen und Gewalt reagieren und das ist völlig natürlich, denn ihm wird kein Alternativverhalten beigebracht, für das er positiv bestätig wird. Darüber hinaus verliert der Mensch Ansehen und Vertrauen des Vierbeiners, denn im Wolfs- oder Hunderudel sind nicht die Größten und Stärksten die, die das Rudel anführen, sondern die sozialsten, intelligentesten Tiere mit hoher Entscheidungskraft. Auseinandersetzungen werden meist kampfos über Körpersprache und beschwichtigendes Unterordnen geregelt.

Ressourcen – Privilegien – Verwirrung

Führungslos und im Einzelfall nicht weniger bissig sind auch Hunde, die alles dürfen und denen die Ressourcen und Privilegien sozusagen zu Pfoten gelegt werden. Dazu gehören beispielsweise Fressen, Spielzeug und Leckerchen. Privilegien sind u. a. Liegeplätze an Schlüsselpositionen (Sofa, Flur, Tür), sowie die Zuwendung seines Menschen und die Zugehörigkeit zum Rudel. Denn auch wenn alle Halter ihren Hund lieben, aus Hundesicht muss dieser froh sein, Teil dieses Rudels sein zu dürfen.

In einer stimmigen Rudelrangfolge wird ihm dieser Platz auch nur so lange zugestanden, wie er sich an die, in dem Fall vom Menschen aufgestellten, Regeln hält. Positioniert sich der Mensch nicht, wird Fiffi diese Aufgabe übernehmen, und schon ist sie wieder da, die Verwirrung.

Denn wenn Hund anfängt, sowohl Ressourcen als auch Privilegien dem eigenen oder fremden Menschen gegenüber zu verteidigen, die aus seiner Sicht rangniedriger sind, ist zwangsläufg eine Folge. Herrchen greift nach dem Spielzeug, Hund sanktioniert Herrchen, indem er zuschnappt. Ja, wieso soll er auch dem Schwächeren – seine – Ressource kampfos überlassen?

Sozialmotivierte Aggression

Bei Menschen heißt es Zivilcourage und Loyalität. Wird ein Hund im Rudel angegriffen, verteidigen ihn seine Kumpels. Geht ein Rudelmitglied zum Angriff über, werden sie mitmischen. Im Zusammenleben heißt das, dass der Hund bei Streitigkeiten (zwischen Menschen) die Partei seiner Rudelmitglieder ergreift. Das bedeutet aber auch, dass der Mensch entsprechend vorbeugen oder in die Situation eingreifen muss.

Besonders unter Kindern können Situationen entstehen, die der Hund als Angriff auf sein Rudelmitglied missdeutet. Beispielsweise, wenn sie spielen oder Streit zwischen ihnen entsteht.

Beißen Hunde aus sozialen Gründen, dann hat der Halter versäumt, die Führung rechtzeitig zu übernehmen, dem Hund klar zu machen, dass er an letzter Position der Rudelrangfolge (auch unter den Kindern) steht oder den Hund aus der aggressiv aufgeladenen Spannungssituation herauszunehmen. Eines sei ganz deutlich gesagt: Kinder sind keine Rudelführer. Sie werden erst ab ca. 12 Jahren (je nach individuellem Charakter/Auftreten des Kindes) vom Hund für voll genommen.

Frustrierte Hunde beißen

Wer sich einen Hund anschafft, ist (auch per Tierschutzgesetz!) verpflichtet, sich für ihn Zeit zu nehmen. Ein Hund, der über einen längeren Zeitraum zu wenig bewegt und geistig beschäftigt wird, ist frustriert. Das ist so, als würde ein Mensch ausgeschlafen vier Energiedrinks zu sich nehmen und eingesperrt werden mit der Anweisung „Leg dich hin und schlaf!“.

Auch ein Hund, der täglich lange allein und zusätzlich körperlich unterfordert ist, ist jeden Tag frustriert, wenn er sich unbändig über seine nach Hause kommenden Menschen freut und dann nur kurz um den Block geschleift wird. Denn auch wenn ein Hund problemlos lernen kann und muss, eine gewisse Zeit alleine zu sein, ist er nicht gerne ohne sein Ersatzrudel. Es ist also nicht verwunderlich, dass irgendwann ein kleiner Auslöser bei einem solch frustrierten Hund ausreicht, ihn vor Wut explodieren und zubeißen zu lassen.

Du kommst hier nicht rein!

Aus der eigentlich erwünschten Wach- und Verteidigungsbereitschaft des Hundes von „Haus und Hof“ erwachsen für Revierfremde, Gefahren, die vermieden werden können. Wer eine Wohnung betritt oder sich dem Außengelände eines Hundes ohne Anwesenheit dessen Besitzers einfach nähert, wird als Eindringling verbellt und angeknurrt.

Nur wer jetzt nicht an dem Hund vorbeistürmt, kreischt, gestikuliert oder dem Besuchten um den Hals fällt, verhält sich richtig. Denn das alles kann als ein Angriff verstanden werden. Jetzt heißt es locker stehen bleiben, ruhig und souverän sprechen, am Hund vorbeigucken und sich wie ein selbstbewusster Artgenosse von allen Seiten beschnuppern lassen. Nicht alle Hunde bewachen ihr Territorium Menschen gegenüber so stark, aber … ausprobieren könnte schmerzhaft sein.

Schmerzaggression

Wenn ein Hund ohne erkennbaren Grund zubeißt, dann sollte der erste Gang des Besitzers ihn zum Tierarzt führen. Häufig sind dann Schmerzen die Ursache. Gerade Schmerzen am Bewegungsapparat (Gelenke, Wirbelsäule) können plötzlich auftreten und den Hund dazu veranlassen, um sich zu beißen, weil er nicht weiß, woher der stechende Schmerz kommt.

Auch bei Hundesenioren, die durch Schwerhörigkeit und Erblindung gehandicapt sind, kann die Neigung, die Zähne einzusetzen, deutlich zunehmen. Hier gilt es, sich auf die Behinderung einzustellen und entsprechende Situationen möglichst zu vermeiden.

Plädoyer ja – Verharmlosung nein

Hunde brauchen positive Erziehung, Regeln und Grenzen, die ihnen auf gewaltfreiem Weg verständlich gemacht werden. Würden sich alle Hundebesitzer so viel Wissen über Hunde aneignen, dass sie ihre Verhaltensweisen kennen und ihre Bedürfnisse befriedigen, gäbe es keine Basis mehr für unsachliche Diskussionen und sinnfreie Hundeverordnungen.

Es ist aber auch eine Tatsache, dass Hunde, die trotz redlichem Bemühen des Besitzers und der Konsultation von medizinischen und tierpsychologischen Fachleuten, durch unkontrollierbares aggressives Verhalten eine Gefährdung für die Umwelt darstellen und nach reificher Überlegung eingeschläfert werden sollten.

Beitrag: Burga Torges, Hundetrainerin in Düsseldorf, www.HundeArt.com, Foto: Thomas Aumann, fotolia.com

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