Weihnachten ist das Fest der Liebe, man trifft Familie und Freunde. Geschenke werden ausgetauscht. Da wird der beste Freund des Menschen längst nicht mehr vergessen.
In der Vorweihnachtszeit erhält der Hund seinen eigenen Adventskalender, über den er sich täglich freuen darf. Unterm Weihnachtsbaum liegen immer häufiger Präsente auch für den Vierbeiner. Der Hund freut sich über Spielzeug oder über Leckerbissen, einen Bezug zu Weihnachten oder zu Geschenken stellt er aber nicht her.
Dass das Ganze als Geschenk am 24. Dezember unter einem Baum liegt, ist ihm natürlich völlig egal. Denn als Tier kennt er weder die Bedeutung von Weihnachten noch die eines Geschenkes. Immer häufiger schleichen sich Anthropomorphismen (das Zusprechen menschlicher Eigenschaften und die Übertragung auf Tiere) in die Hundehaltung ein. Da stellt sich die Frage, wo eigentlich die Vermenschlichung des Tieres beginnt? Wann überschreitet man die Grenzen?
Inhalt
Vermenschlichung – ein einseitiger Gewinn
Feierliches Dekor ziert Hundedecken und Co., Hundekekse gibt es mit weihnachtlicher Rezeptur und Verzierungen und selbstver-ständlich gibt es extra schmackhafte Festmenüs.
Festlich ausgestattet mit einer kleinen Weihnachtsmütze erkundet der Hund stilsicher zusammen mit seinen Besitzern den Weihnachtsmarkt. Der Umsatz steigt jährlich. Fast zwei Drittel aller Hundebesitzer würden ihrem Hund etwas zu Weihnachten schenken (Marktforschungsinstitut TCV, 2010). Die Heimtierbranche freut sich über diesen Trend und bedient ihn aus vollen Zügen. Die artgerechte Tierhaltung rückt dabei mehr und mehr in den Hintergrund.
Hundeparfüm – eine dufte Quälerei?
Seit Jahren ist die sogenannte Dog-Couture ein ständig wachsender Wirtschaftszweig. Nicht nur namhafte Designer bieten mittlerweile Mode, Parfüms oder Accessoires für den Hund an. Was aber drückt es aus, wenn Hund und Halter in der gleichen Couture stecken? Ist der Hund in diesem Fall ein Modeaccessoire? Oder ist der Partnerlook Ausdruck einer tiefempfundenen Verbundenheit? „Marktforscher sprechen in diesem Zusammenhang von „Humanisierung“: Die Menschen spiegeln ihre eigenen Bedürfnisse auf die Tiere.“1 (Quelle: Spiegel)
Der Hund ist gut für den Menschen, umgekehrt ist das leider nicht immer der Fall. Hundeparfüm ist sicherlich genauso überflüssig wie Parfüms für Babys. Wahrscheinlich ist der Geruch für die empfindliche feine Hundenase sehr unangenehm. Was also mutet man da dem Tier zu, wenn das Geruchsorgan dermaßen malträtiert wird? Haustiere werden immer häufiger zu Sozialpartnern und zum Kindersatz. Zweifellos will man nur das Beste für sein Tier.
Selbstverständlich gibt es Gründe, einen Hund anzuziehen, ein mangelhaft wärmendes Fell etwa. Aber von einem sinnvollen Kälteschutz bis zum Hineinstecken in einen Strampelanzug ist es ein weiter Weg. Auf der einen Seite steht der Schutz des Tieres, auf der anderen Seite fungiert der Hund als Anziehpuppe. Das geht eindeutig an den Bedürfnissen des Vierbeiners vorbei.
Botox und Silikonhoden
Die Spitze des Eisbergs ist sicherlich (vorläufig) mit Schönheitsoperationen für Tiere erreicht. Da wird Fett abgesaugt, das Kinn gestrafft und Botox bügelt Falten glatt. „Warum soll ein Hund nicht schön aussehen?“ fragt Edgard Brito, Spezialist für plastische Tierchirurgie aus São Paolo.2 (Quelle: www.welt.de)
„Da wird Fett abgesaugt, das Kinn gestrafft und Botox bügelt Falten glatt.“
Für kastrierte Rüden gibt es patentierte Silikonhoden (US Patent #58-68140, http://www.neuticles.com), um den Eingriff in die Männlichkeit zu kaschieren. Bei allen diesen Eingriffen wird die Gesundheit des Tieres aufgrund eines zweifelhaften Schönheitsideals riskiert. Ein problematischer Trend, der besonders in Kalifornien und Brasilien um sich greift. Und leider bereits teilweise in Deutschland angekommen ist: so bietet beispielsweise die Uni-Tierklinik Gießen Hodenimplantate an, „je nach Qualität von 90 Euro bis zu 400 Euro pro Paar – die teuren sehen dann aber auch 200-prozentig echt aus“.3 (Quelle: www.welt.de)
Liebe und Zuneigung – ein grenzenloses Vergnügen für Mensch und Hund?
Liebe geht durch den Magen. Bereits ein Drittel aller Hunde in Deutschland ist adipös, stark übergewichtig bzw. fettleibig. Tendenz steigend. Die Folgekrankheiten können u.a. Diabetes, Rücken- und Gelenkprobleme, Allergien u.v.m. sein. Es gibt Hundebier, Spezereien wie Windbeutel und Pralinés, selbst Geburtstagstorten kann man bei speziellen Anbietern für seinen Hund ordern. Alles, was das Hundeherz begehrt? Oder läuft bei dem reichhaltigen Angebot nicht eher manchem Besitzer das Wasser im Munde zusammen?
Vor noch gar nicht allzu langer Zeit waren alle unsere Haustiere Nutztiere. Der Hund bewachte und beschützte Haus und Hof, hütete oder war bei der Jagd behilflich. Heutzutage werden viele Hunde häufig nicht mehr ihren Bedürfnissen entsprechend gefordert und gefördert.
So fehlt oft die artgerechte Auslastung durch genügend Freilauf und Kopfarbeit oder etwa der Sozialkontakt zu Artgenossen. Die hundegerechte Ernährung ist ein Kapitel für sich. So rücken denn auch immer wieder Verhaltensauffällig-keiten und –probleme in den Fokus. Laut Dorit Feddersen-Petersen sind „Verhaltensauffälligkeiten von Hunden (…) meistens nicht krankheitsbedingt, sondern auf eine nicht artgerechte Hundehaltung zurück zu führen.“4
„Weihnachten ist das Fest der Liebe, der Besinnlichkeit und der Besinnung. Selbstverständlich ist der Hund heutzutage ein Teil der Familie. Allerdings sollte man ihn nicht zum kleinen Menschen im Fell machen, weder zu Weihnachten noch zu irgend einer anderen Zeit im Jahr. Der beste Freund des Menschen sollte nicht mit Wünschen überfrachtet werden, deren Erwartung er nicht erfüllen kann. Ein Hund ist ein Hund – man sollte nie die arteigenen Bedürfnisse des Tieres vergessen und es so artgerecht behandeln, wie der Vierbeiner es verdient. Gönnen Sie Ihrem Hund, Hund zu sein.“
Quellennachweise:
1 Maskierter Müll, Nils Klawitter, DER SPIEGEL 30/2010, http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-72370236.html
2 Gassi mit Gucci, Viola Keeve, https://www.welt.de/print-wams/article131731/Gassi-mit-Gucci.html
3 Wenn Herrchen dem Hund Hodenimplantate spendiert, Robert Saemann-Ischenko, http://www.welt.de/lifestyle/article10802427/Wenn-Herrchen-dem-Hund-Hodenim-plantate-spendiert.html
4 Hans-Ulrich Grimm, „Katzen würden Mäuse kaufen – Schwarzbuch Tierfutter“, Heyne-Verlag
Beitrag: Heike Grotegut, Tierpsychologin in Köln