Zwar verbietet das deutsche Tierschutzgesetz bereits seit 1998 Tierversuche für die Entwicklung von Kosmetika, innerhalb der EU folgte aber erst 2004 der erste Teilerfolg, als Tierversuche für die Prüfung fertiger kosmetischer Mittel verboten wurden. Seit dem 11. März 2009 sind Tierversuche für neue kosmetische Inhaltsstoffe in der EU verboten, und auch fertige Kosmetika aus Drittländern, die in Tierversuchen getestet wurden, dürfen seit dem nicht mehr in der EU vermarktet werden.
Deshalb verlagerten die Kosmetikfirmen ihre Forschungen kurzerhand in außereuropäische Länder. Mit dem am 11. März 2013 in Kraft getretenen Gesetz ist jedoch auch diese Lücke geschlossen worden. Nun dürfen auch keine Kosmetika mehr vermarktet werden, deren Inhaltsstoffe außerhalb der EU an Tieren getestet wurden.
Interview mit Dr. Ralf Unna, Tierarzt und engagierter Tierschützer
Inhalt
Herr Dr. Unna, halten sie dieses Gesetz für sinnvoll?
Ralf Unna: „Ja, natürlich, denn im deutschen Tierschutzgesetz heißt es: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“, und daran sollten wir uns halten. Trotzdem werden immer noch Tierversuche in vielen Bereichen durchgeführt: beispielsweise in der Pharmaindustrie oder zu Schädlichkeits- und Verträglichkeitsprüfungen von chemischen Substanzen des täglichen Bedarfs, wie Reinigungsmittel und Farben, sowie im Militär und zur Herstellung von Impfstoffen und Seren.
Die Liste ist lang. Dabei gibt es heute genug aussagekräftige Alternativen gerade für die Forschung in der Kosmetikindustrie. Darüber hinaus unterscheidet sich das Erbgut von Menschen und Tieren erheblich. Deshalb gibt es für mich hier keinen Grund für den Einsatz von Tierversuchen.“
Wie hoch war der Anteil der Tierversuche für die Herstellung von Kosmetika und wie hoch ist dieser Anteil für medizinische Zwecke?
Ralf Unna: „Laut den offiziellen Statistiken der EU wurden im Kosmetikbereich 0,05 % aller Tierversuche durchgeführt. Das heißt im Jahre 2005 waren es 5571 Tiere von einer Gesamtzahl von über 12 Millionen, allerdings ist die Dunkelziffer der in Drittländern durchgeführten Tierversuche nicht bekannt. Im Gegensatz dazu liegt der Anteil der Tierversuche für die biologische Grundlagenforschung bei 35 % und für die Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln entfielen etwa 16 % (Stand 2011).“
Welche Alternativen zu Tierversuchen gibt es?
Ralf Unna: „Mittlerweile gibt es Versuche an humanem Spendergewebe, welche weitaus verlässlichere Ergebnisse erbringen als Tierversuche. Bei der so genannten In-vitro-Methode wird menschliches Gewebe im Labor gezüchtet und darauf wird die zu testende Substanz aufgetragen.
Diese Methode ist noch dazu weitaus kostengünstiger als der Versuch mit Tieren und führt zudem auch zu schnelleren Ergebnissen. Das ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoller für die Industrie, sondern senkt auch den Preis für den Verbraucher.“
Ist das neue Gesetz „wasserdicht“ oder gibt es Schlupflöcher für die Kosmetikindustrie?
Ralf Unna: „Leider können mit dem in Kraft getretenen Gesetz weiterhin auch Tierversuche zur Herstellung von kosmetischen Produkten gemacht werden. Denn eine Lücke besagt, dass Tierversuche zur Prüfung von Rohstoffen uneingeschränkt durchgeführt werden können, wenn diese nicht nur in Kosmetika, sondern auch in anderen Produkten verwendet werden.
Um diese Lücke zu schließen, müssten Tierversuche generell verboten werden. Trotzdem sollten wir mit dem Ergebnis eines dreißigjährigen Kampfes meiner Meinung nach zunächst zufrieden sein.“
Interview mit Dr. Ralf Unna, Tierarzt und engagierter Tierschützer, Foto: fotolia