Probleme mit dem Vierbeiner entstehen nicht über Nacht. Zumeist ist es eine schleichende Entwicklung, angefangen von unklarer Kommunikation zwischen Mensch und Hund, ein bißchen Inkonsequenz hier, zu wenig Körpersprache dort und das Ganze viel Male wiederholt. Schon hat man ein wunderbar konditioniertes Fehlverhalten, das Mensch unbewusst immer wieder bestätigt.
Da wird an der Leine gezogen oder der Nachbarshund plötzlich angepöbelt, dann heißt es: „naja, den mag er halt nicht“. Und wenn die Oma des Grundstücks verbellt wird, weiß Herrchen gleich: „jetzt passt er auf!“ Das mag sein und das darf er auch. Die Frage ist nur: Wo ist die Grenze und hört er damit auch auf, wenn sein Mensch es von ihm verlangt?
Wenn Menschen von Problemen mit ihren Hunden berichten, die scheinbar aus dem Nichts heraus entstanden sind, stellt sich häufig heraus, dass es sich weder um ein medizinisches Problem, noch um Voodoozauber handelt, der den Hund plötzlich verändert hat. Oft wurde einfach zu lange damit gewartet, genau hinzusehen und das Verhalten des Hundes zu hinterfragen.
Denn sieht man dann genau hin, wird deutlich, dass sein Schnappen oder sogar Beißen von langer Pfote angekündigt war. Mit einem leisen drohenden Knurren, einem blitzenden Eckzahn und dabei das Fell über dem Nasenrücken leicht gekräuselt. Aber offensichtlich werden all diese Warnungen entweder übersehen oder nicht ernst genommen.
Ursachenforschung – Warum verhält sich der Hund so?
Dazu muss man verschiedene Bereiche unter die Lupe nehmen. Zum einen spielen Sozialisation und Habituation im Welpenalter eine zentrale Rolle. Denn in der Zeit bis zur ca 18. Lebenswoche lernt er für sein Leben.
Wurde er zu früh von der Mutter und Geschwistern getrennt oder hat er in dieser Zeit zum Beispiel nur wenig oder schlechte Erfahrungen mit Artgenossen gesammelt, wird er sich Hunden gegenüber zumindest vorsichtig oder sogar ängstlich oder auch (angst-) aggressiv verhalten.
Hat er in diesem Zeitfenster wenig Umweltreize wie Autos, fremde Menschen, Kinder, Pferde usw. kennengelernt, wird er sich im Alltag unsicher bewegen, da er durch seine Umwelt überfordert ist. Ein Hund, der ständig gestresst ist, ist zunächst im Fluchtmodus, um der Situation zu entgehen.
Kann er nicht fliehen, wird er sich zumeist zur Abwehr und dann zum Angriff entschließen.
Darüber hinaus gilt es die Erfahrungswelt des Hundes und die Beziehung zu seinem Menschen zu überprüfen. Vertraut er seinem Menschen? Wenn nicht, warum nicht? Gab es traumatisierende Ereignisse? Wie geht der Mensch mit seinem Hund um? Wie gut kennt der Mensch seinen Hund und wie umfassend ist sein Wissen über Hunde grundsätzlich?
Und auch einen wichtigen Punkt gilt es zu überprüfen. Werden die Bedürfnisse des Hundes befriedigt? Dazu gehört es, dem Hund neben Futter und Wasser auch täglich ausreichend Zuwendung, Auslauf und Beschäftigung zukommen zu lassen. Denn nur dann ist ein Hund ausgeglichen.
Die Analyse von Problemen zwischen Menschen und Hunden ist aufwendig und sollte sehr genau vorgenommen werden. Denn erst wenn die Ursachen eindeutig feststehen, kann man einen individuell auf das jeweilige Mensch-Hund-Team zugeschnittenen Trainingsplan erstellen, der Schritt für Schritt zum Erfolg führt.
Aber genauso wenig, wie Probleme zwischen Mensch und Hund über Nacht entstehen, lassen sie sich meistens mit einem Fingerschnipp oder einer Zauberformel lösen. Dazu braucht es Geduld, Disziplin und Umsetzungsbereitschaft. Das kostet manchmal viel Kraft und Nerven, aber es lohnt sich für jeden Vierbeiner.
Beitrag: Burga Torges, Hundetrainerin, www.hundeart.com