Jedes Jahr werden ca. 70.000 Haustiere in Deutschland ausgesetzt. Die meisten trifft dieses Schicksal, wenn ihre Menschen in den Urlaub fahren. Erst sind sie heiß geliebt und plötzlich nichts mehr wert? Warum Menschen sich einfach ihrer Haustiere entledigen und anstatt sich um deren Wohlbefinden zu sorgen, sie lieber ihrem Schicksal überlassen, haben wir Bernd Schinzel vom Tierheim Köln-Dellbrück gefragt.
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Herr Schinzel, was sind Ihrer Erfahrung nach, die Gründe dafür, dass Menschen sich auf so feige Art ihrer Haustiere entledigen?
Oftmals liegt es daran, das sich die Menschen nicht genug Gedanken gemacht haben und sich leider immer häufiger ein Tier aus dem Internet holen, weil dort die wenigsten kritischen Fragen bezüglich artgerechter Haltung gestellt und nur das Geld gesehen wird. Nicht selten werden dann die Tiere abgegeben oder ausgesetzt, weil der Hauseigentümer die Tierhaltung untersagt oder das angeschaffte Tier ein Verhalten an den Tag legt, mit dem die neuen Halter nicht klarkommen.
Auch immer häufiger werden Allergien als Abgabegrund genannt. Verhaltensauffälligkeiten seitens des Hundes (meistens hausgemachte Probleme) sind ebenfalls Gründe. Auch werden Hunde nicht selten abgegeben, wenn der Halter verstorben ist und sich niemand der Angehörigen kümmern kann oder möchte. Das passiert übrigens immer öfter.
In fast jeder Stadt in Deutschland gibt es Tierheime. Warum werden die Tiere dort nicht abgegeben?
Viele Menschen gehen davon aus, dass sie Geld bezahlen müssen, wenn sie ihr Tier ins Tierheim bringen. Leider ist es auch so, dass viele Tierheime eine Abgabegebühr verlangen, was man meiner Meinung nach nicht generalisieren sollte. Natürlich kostet ein Tier, je nach Rasse, Alter und Verhalten ein Tierheim viel Geld. Denn es muss untersucht, geimpft, gechippt, entwurmt und kastriert werden.
Das alles kostet richtig viel Geld, wobei Spenden kontinuierlich zurückgehen und die Kommunen beziehungsweise Gemeinden zahlen in der Regel für Fundtiere dem Tierheim nur einen gewissen Obolus, je nach individuellem Vertrag. Menschen, die ihr Tier aus nachvollziehbaren Gründen abgeben müssen, geben auch manchmal eine Spende, wenn man die Situation realistisch schildert, aber eben nicht immer. Das sollte meiner Meinung nach individuell geklärt werden.
Kann man denn konkret sagen, was es kostet, Hunde im Tierheim abzugeben?
Das sehen wir immer der Situation entsprechend. Wenn wir nach einer Abgabegebühr zu fragen, setzt der Halter das Tier an der nächsten Ecke aus. Dann nehmen wir den Hund natürlich auch so. Oftmals verlangen wir nicht einmal Geld, wenn wir den Eindruck haben, der Mensch hat selbst kaum etwas zum Leben. Manchmal sagt er es uns sogar. Da denken wir dann nur an das Tier.
Wie geht das überhaupt, einen Hund im Tierheim abgeben?
Wenn wegen einer Hundeabgabe im Tierheim angerufen wird, wird erst einmal nach dem Grund gefragt. Manchmal aber selten, kann man ja bereits am Telefon durch Zuhören, Tipps zu Verhaltensauffälligkeiten geben oder Hundeverhaltensberater empfehlen. Dann fragen wir auch, wo der Hund ursprünglich herkommt, ob von einem Züchter, Internet, oder gar von einem anderen Tierschutzverein. Denn wenn das abzugebende Tier von einem anderen TSV stammt, muss es laut Schutzvertrag wieder zurückgegeben werden.
Leider haben wir immer öfters das Problem, dass Hunde von anderen TSV vermittelt und nicht mehr zurück genommen werden, weil keine Pflegestelle frei ist und der Verein kein Tierheim unterhält. Oder der Verein „rettet“ Hunde aus anderen EU-Ländern und zieht dann die örtlichen Tierheime in die Verantwortung, die sowieso in der Regel bereits hoffnungslos überfüllt sind. Ganz selten nimmt sogar auch mal ein Züchter seinen ehemaligen Zögling zurück.
Hat es Folgen für den ehemaligen Besitzer, wenn er sein Tier ins Tierasyl bringt?
Es hat keine Folgen, es sei denn, der Halter wäre beim Aussetzen ertappt worden und die Daten sind bekannt. Dann gibt es natürlich eine Anzeige, denn das Aussetzen eines Tieres ist strafbar und sollte unbedingt geahndet werden.
Wenn Verhaltensauffälligkeiten bei Hunden angegeben werden, wie viele davon sind ihrer Erfahrung nach nur vom Besitzer erfunden?
Ich denke schon, dass ansatzweise viele Auffälligkeiten vorhanden waren, aber die meisten sind hausgemacht und von den Haltern selbst verschuldet. Wie oft erfahren wir in unserer praktischen Arbeit mit den Hunden, auch nach einer Vermittlung, dass ein Hund sich neu eingliedern lässt, wenn er von Anfang an Regeln und Grenzen erhält, bestätigt und geliebt wird, aber bitte als Hund und nicht wie ein Menschenkind oder gar eine Puppe oder Accessoire.
Tiere sollten nicht unüberlegt angeschafft werden. Wie sorgen Sie in ihrem Tierheim dafür, dass die Tiere in bleibende Hände kommen?
Zuerst werden Gespräche über das Leben und den Alltag der Adoptanten geführt. Wir schaffen uns einen Eindruck über die Lebenssituation, in die ein Hund aus unserem Tierheim soll. Aber auch bei uns kommt es vor, dass aus meistens nachvollziehbaren Gründen ein Tier wieder zurückkommt. Um Kontakt aufzubauen und um zu sehen, ob man zueinander passt, gehen die zukünftigen Hundehalter in der Regel erst einmal ein paar Tage mit ihrem neuen Liebling spazieren.
Auch sehen die zukünftigen Hundehalter dann, wie der Hund auf Alltagssituation beim Spaziergang reagiert. Natürlich ist dies dann nicht maßgeblich für das spätere Verhalten des Hundes, aber tendenziell kann man so bereits ausloten, ob man zueinander passt. Die Hundevermittlung ist auch eine „Bauchsache“, und man sollte ein gutes Gefühl bei der Abgabe eines Tierheiminsassen haben. Bei einem „komischen Gefühl“ sollte man dagegen lieber noch ein wenig intervenieren oder gar von einer Vermittlung absehen, denn wir wollen unsere Hunde nicht loswerden, sondern artgerecht untergebracht wissen.
Wie sollte man sich verhalten, wenn man ein Haustier findet, das offensichtlich ausgesetzt wurde?
Wenn ich ein Tier finde und den Eindruck habe es wurde ausgesetzt, bringe ich es in das örtliche Tierheim oder verständige die Polizei, bzw. die Feuerwehr, die das Tier dann ins Tierheim bringt. Wenn das Tier verletzt ist, sollte es erst einmal zu dem nächsten Tierarzt gebracht werden und später dem Tierschutz zugeführt werden.
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