Wer sich einen Hund zulegen möchte, hat die Qual der Wahl. Rassehund oder Mischling? Aktiv-fordernder oder eher gemütlicher Charakter? Und nicht zuletzt: Welpe oder einen älteren Hund? Gerade bei letzterer Entscheidung spielt häufig die verbleibende Lebenserwartung des Vierbeiners eine Rolle.
Dazu kommt die Angst, dass der „Gebrauchte“ bereits Macken durch schlechte Erfahrungen im Leben aufweist. Dabei haben viele von den älteren Hunden ihr zu Hause völlig unverschuldet verloren und sind ganz wunderbare Begleiter, die sich trotz ihres Alters noch ebenso eng an einen neuen Menschen binden wie ihre jungen Konkurrenten.
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Unproblematischer Weggefährte – Für neue Beziehung offen
Am Beginn einer neuen Beziehung, egal ob mit Mensch oder Hund, steht immer die Frage nach dem Leben davor. Was hat er erlebt? Was hat ihn geprägt? Hat er Ängste? Mag er seine Artgenossen? Was macht ihn möglicherweise aggressiv? Nie kann man den anderen völlig durchleuchten und sofort alles auf einmal wissen.
Es bedarf einer langsamen Annäherung, Vertrauen muss aufgebaut werden. Nur so kann Nähe entstehen. Hunde machen uns dies wesentlich einfacher als wir Menschen uns gegenseitig. Einzelfälle mal ausgenommen, sind Hunde offen und bereit, sich wieder auf einen Menschen einzulassen und sich zu binden. Auch wenn sie von ihren Vorbesitzern schlecht behandelt wurden, sind sie nicht nachtragend oder berechnend, sondern ehrlich und klar in ihrem Verhalten.
Sie brauchen zumeist sechs Monate, bis sie richtig in ihrem neuen Zuhause angekommen sind, aber bereits in dieser Zeit sehen und fühlen sie, was ihnen entgegengebracht wird und nehmen es an. Wenn wir also bereit sind uns auch auf die ein- oder andere Eigenheit des neuen Freundes einzulassen und ein wenig Bemühung zu investieren, erhalten wir einen unproblematischen Weggefährten, der uns mit der Gesetztheit des Alters begegnet.
Einstiegsmodell für Hundeanfänger – Wer hat schon auf einem Ferrari gelernt?
Gerade für Hundeanfänger ist ein älterer Hund ratsam. Hier können sie weniger falsch machen und den Rest bringt ihnen der erfahrene Hund schonend bei. Denn gerade Hundeanfänger sind häufig mit den Bedürfnissen eines Welpen überfordert.
Ständig müssen Herrchen und Frauchen die Augen offen halten, denn Welpen sind immer auf der Suche nach etwas Verbotenem, das sie aushecken können. Da ist der Socken schnell verschluckt, der Teppich angenagt und der Mülleimer ausgeräumt. Welpen sind überwiegend abgelenkt und unbesonnen in ihrem Verhalten.
Da werden im Garten Krater gebuddelt und Blumen abgekaut, hinter allem hergerannt, was sich bewegt, und Omas weiße Hose besprungen. Alle Nase lang würde er gerne spielen, sonst sucht er sich eine andere Beschäftigung und sortiert beispielsweise die Dokumente auf dem Schreibtisch.
Nach dem Fressen, Schlafen und Spielen muss der Welpe raus zum Pullern oder Haufen setzen, sonst landet das Geschäft auf dem guten Teppich. Mit einem älteren Hund umgeht man diese schöne, aber eben auch anstrengende Phase. Das macht es Ersthundebesitzern und auch älteren Menschen einfacher. Doch auch die Entscheidung für einen älteren Hund bedeutet, dass sich der neue Hundebesitzer um ein Grundwissen und Verständnis der Spezies Hund bemühen muss.
Voneinander lernen – Miteinander Neues entdecken
Auch ältere Hunde können neue Dinge lernen. Sie tun sich halt ein bisschen schwerer, so wie wir Menschen auch. Alles geht ein bisschen gemütlicher und gelassener. Genau das Richtige für unseren hektischen Alltag. Nicht nur Studien beweisen, dass allein die Anwesenheit von Hunden beruhigend auf Menschen wirkt.
Wer an einem typischen „Hamster-im-Rad-Tag“ in zwei tiefe, murmelfarbene Augen schaut, lernt, dass eigentlich nichts von dem wichtig ist, was uns gerade emotional aus der Bahn schmeißt. Denn der erfahrene Vierbeiner zeigt uns: jetzt ist Hundezeit und da zählt nur, dass Hund und Mensch losziehen, gemeinsam die Welt zu entdecken. Hund zeigt Mensch, was ihm wichtig ist.
„Mal ehrlich: kommen wir nicht alle in die Jahre?“
Was danach kommt? Für eingespielte Teams reicht da oft nur ein einziger Blick des vierbeinigen Freundes – Richtung Fressnapf. Man versteht sich eben! Das seichte, zufriedene Schnarchen des ausgetobten und vollgefutterten Hundes unterhalb des Sofas ist Glück pur und besser als jedes Beruhigungsmittel.
Nur keine Hektik – Manche mögens eher ruhig
Hunde mittleren und fortgeschritteneren Alters haben zurecht die Schnauze voll von zu viel Trubel. Bei manchen sinkt die Toleranzschwelle mit zunehmendem Alter. Wenn sie früher Hunde waren, mit denen Kinder alles machen konnten, kann ihnen der Lärm und das Getobe von kleinen Menschen zuviel werden. Deshalb sind sie aber nicht gefährlich. Mit ein wenig Verständnis und ein paar rücksichtsvollen Maßnahmen lässt sich trotzdem prima miteinander in einer Familie leben. Und auch die Enkel können zu Besuch zu den Großeltern mit dem älteren Hund kommen.
Beitrag: Yvonne Prinz, Tierpsychologin und Tierheilpraktikerin, Fotos: Eva Nimtschek u. Burga Torges