Bei einem Spaziergang im Wald bleibt die Hündin Linda von Besitzerin Frau Claßen plötzlich stehen. Dann läuft sie zielstrebig auf ihre Besitzerin zu und stellt sich mit den Vorderpfoten an ihrem Körper auf. Sie schnüffelt an Frau Claßens Kleidung, riecht an ihrem Atem, starrt sie eindringlich an und verharrte kurz, bis ihr Frauchen reagiert und ihr Blutzuckermeßgerät aus dem Rucksack holt.
Nach einem kurzen Test die Bestätigung: Der Wert liegt bei 65 mg/dL und damit eindeutig zu niedrig. Nach einem Traubenzucker ist eine Unterzuckerung schnell abgewendet. Zu verdanken ist das Hündin Linda, die als Diabetikerwarnhündin Frau Claßen beim Bewältigen ihrer Krankheit hilft. Im Nippers berichtet sie über ihre Erlebnisse mit Linda und deren Ausbildung.
Für Außenstehende mag das Verhalten von meiner Hündin und mir oftmals seltsam anmuten. Ein Hund springt einen Mensch an und wird dafür auch noch gelobt. Dieses besondere Anspringen ist jedoch als ein Signal zu verstehen. Denn Linda ist einer von wenigen Diabetikerwarnhunden, die einen stark abfallenden Blutzuckerspiegel mit ihrem außergewöhnlichen Geruchssinn wahrnehmen und damit Diabetiker vor gefährlichen Situationen wie Verwirrtheits- oder Schwächeanfällen und im schlimmsten Fall vor einer bevorstehenden Bewusstlosigkeit warnen.
Zuhause bedient Linda zudem einen Drucktaster, der mit einer Funkklingel verbunden ist. Für den ehemaligen Straßenhund aus Gran Canaria sind Situationen wie diese mittlerweile absolute Routine. 2012 absolvierte die Podenco-Mischlingshündin erfolgreich die Ausbildung nach einem halbjährlichen Training im Hundezentrum Teamwärts bei der Hundetrainerin Uschi Loth im Siegerland.
Inhalt
Wie funktioniert die Ausbildung?
Die Ausbildung funktioniert nach ähnlichen Prinzipien wie die Schulung eines Drogenspürhundes. So konditioniert man Hunde Zielobjekte mit spezifischen Gerüchen zu orten und diese beispielsweise durch Kratzen anzuzeigen. Diabetikerwarnhunde suchen jedoch im Gegensatz zum Drogenspürhund keine Drogen, sondern sollten am Ende ihrer Ausbildung in der Lage sein, eine Stoffwechselentgleisung bei ihrem Frauchen oder Herrchen anzuzeigen, entweder durch Stupsen, Kratzen oder Bellen.
Zu Beginn der Ausbildung lernt der Hund Stoffproben mit dem Geruch einer Unterzuckerung zu lokalisieren. Später sucht er diese Proben am Körper des Diabetikers, bis er zum Schluss ganz reale Unterzuckerungen anzeigt. In einigen Fällen lernen die Vierbeiner zudem einen Drucktaster mit angeschlossener Funkklingel zu betätigen. Hierdurch kann man Hilfe herbeiholen. Bis heute konnte jedoch nicht nachgewiesen werden, was der Hund eigentlich riecht.
Höchstwahrscheinlich nimmt das Tier einen Cocktail verschiedener Hormone über den Geruchssinn wahr. Hierbei handelt es sich um Hormone der Gegenregulation, die freigesetzt werden, sobald der Zuckerspiegel stark abfällt.
Welche Hunde eigenen sich?
Die Dauer sowie der Erfolg der Ausbildung zum zuverlässigen Diabetikerspürhund hängen von der jeweiligen Intelligenz, Belastbarkeit, Sozialverträglichkeit bzw. Auffassungsgabe des Hundes ab. Dabei eignen sich viele Hunde, denn das dazu benötigte Werkzeug trägt jeder Hund in seiner Nase. Bis zu 220 Millionen Riechzellen nehmen Gerüche auf, die dem Menschen mit einem Riechorgan von 5 Millionen Zellen verborgen bleiben. So können nach entsprechender Konditionierung Hypoglykämien (Unterzuckerungen) von annähernd jedem Hund angezeigt werden.
Es gibt sicher Hunde, die sich hierfür besser und weniger gut eignen. So zum Beispiel aggressive Tiere oder auch extrem ängstliche bzw. traumatisierte Tiere, denn im Alltag sollten Warnhunde zuverlässige Begleiter sein. Damit die Ausbildung gelingt, müssen Mensch und Hund eine vertrauensvolle Beziehung eingehen und ein gutes Team sein. In den meisten Fällen gelingt dann die Ausbildung zum zuverlässigen Diabetikerwarnhund. Dies bestätigen immer wieder viele Diabetiker und Diabetikerinnen, deren eigener Hund bereits eine halb- bis zwölfmonatige Ausbildungsphase durchlief.
Am Ende der Ausbildung kann jeder Diabetiker selbst entscheiden, ob der Hund dann noch eine Assistenzhundeprüfung absolviert. Da jedoch die Prüfungen bis heute nicht einheitlich standardisiert sind, von nicht allen öffentlichen Institutionen anerkannt werden und keinerlei Rechte, so z. B. ein Zutrittsrecht in Museen oder Arztpraxen, mit einer derartigen Begleithundeprüfung verbunden sind, sollte jeder Diabetiker selbst entscheiden, ob eine Assistenzhundeprüfung Sinn macht.
Hundesteuer für Diabetikerspürnasen
Diabetikerwarnhunde sind längst nicht in allen Gemeinden bzw. Städten von der Hundesteuer befreit. In Köln werden Diabetiker mit Begleithunden zum Beispiel zur Kasse gebeten. Diabetiker müssten theoretisch einen Schwerbehinderungsgrad von 100 Prozent nachweisen. Die Rechtslage scheint meiner Meinung nach abwegig. Denn viele Diabetiker, die einen Schwerbehindertengrad von 100 Prozent mittels ihres Ausweises dokumentieren, können eben diesen Nachweis nur aufgrund bereits vorhandener diabetischer Folgeschäden (Mobilitätseinschränkungen, Sehschädigungen etc.) erbringen.
Gerade diese Erkrankungen sollen ja durch einen Diabetikerbegleithund, der für eine bessere Stoffwechsellage sorgt, vermieden werden. Zudem wären Diabetiker, die eben diese sekundären Erkrankungen nachweisen können, nicht in der Lage selbst einen Hund zu halten, das heißt, längere Spaziergänge wären zum Beispiel nicht durchführbar. Die Katze oder besser gesagt der Hund beißt sich hier meiner Meinung nach in den Schwanz.
Aber es geht auch anders: Als Vorbild zeigt sich beispielsweise die Kreisstadt Eichstätt in Bayern. Diabetiker mit einem Warnhund finden dort paradiesische Zustände vor. Betroffene benötigen eine Bescheinigung des Arztes, dass eine Typ I-Diabetes-Erkrankung vorliegt sowie eine Bescheinigung darüber, dass der Hund eine erfolgreiche Ausbildung zum Diabetikerspürhund durchlaufen hat und werden dann von der Hundesteuer befreit.
Beitrag und Foto: Frau Claßen, www.diabetiker-spuerhunde.de