Neben Infektionen und Verletzungen stehen gerade beim Hund durch züchterische Einflüsse verursachte Augenerkrankungen im Vordergrund. So verursachen beispielsweise ansprechend wirkende „Kulleraugen“ für das betroffene Tier häufig Probleme.
Nicht zuletzt aus dieser Notwendigkeit heraus hat sich die Augenmedizin für Hunde zu einem eigenständigen Fachgebiet entwickelt, das sich Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie aus der Humanmedizin bedient. Leider erkennt man schwere Augenleiden häufig nicht oder man verwechselt sie mit einfachen Bindehautentzündungen. Mit schwerwiegenden Folgen für den Hund.
Inhalt
Sehen ist komplex
Beim Sehen werden optische Signale in elektrische Impulse verschlüsselt, die dann den Sehzentren des Gehirns zur Weiterverarbeitung zugeleitet werden. Ebenso komplex ist auch der Aufbau des Auges, und genau dies bedingt leider eine Vielzahl von Erkrankungen.
Das Spektrum reicht von der „einfachen“ Bindehautentzündung bis hin zu schweren Veränderungen des inneren Auges, wie Grauer und Grüner Star. Die folgenden Beispiele zeigen Erkrankungen des äußeren und inneren Auges, die besonders im Anfangsstadium häufig verkannt werden.
Patient 1: Westhighland White Terrierhündin „Julchen“, 6 Jahre alt
Vorbericht: Bei Julchen wurden immer wieder gerötete Augen festgestellt. Sie schien empfindlicher auf Wind und Klimaanlagen zu reagieren, als andere Hunde. Häufig hatte sie Augenausfluss, der auch gelb werden konnte. Die verabreichten Salben halfen nur kurzfristig.
Interpretation der Befunde
Ständiger Augenausfluss ist krankhaft. Eine Messung der Tränenproduktion mit Hilfe eines Schirmertränentestes zeigt das Problem und ist weder schmerzhaft noch teuer. Die Werte bei Julchen waren deutlich erniedrigt. Tränen enthalten wichtige Abwehrstoffe. Fehlen diese, führt das zu bakteriellen Sekundärinfektionen. Eitrige Bindehautentzündungen sind die Folge. Eine antibiotische Salbe kann nur für den Zeitraum der Behandlung die Keime entfernen. Sobald sie abgesetzt wird, nutzt der nächste Keim die Immunschwäche aus und das Rezidiv ist vorprogrammiert.
Die eigentliche Hauptaufgabe der Tränen liegt jedoch in der Ernährung der Hornhaut, die keine eigenen Blutgefäße besitzt. Fehlt diese Versorgung, reagiert die Hornhaut mit Gefäßeinsprossung und Pigmentierung. Das führt zu einer Trübung der Hornhaut. Im unbehandelten Fall wird das Tier irreversibel erblinden. Terrier Julchen konnte also nur gesund werden, wenn sie ausreichend Tränen produzieren würde.
Ursache
Diese Erkrankung wird Keratokonjunktivitis sicca (KCS) oder auch trockenes Auge genannt. Sie tritt häufig bei Westis, Yorkies und den verschiedenen Spanielrassen auf. Das Problem wird in der Mehrzahl der Fälle durch eine Autoimmunerkrankung der Tränendrüse ausgelöst. Dabei erkennt das Immunsystem das Gewebe der Tränendrüsen nicht mehr als körpereigen an, sondern behandelt es wie einen unerwünschten Eindringling. Durch diese fehlgeleitete Abwehr (Autoaggression) wird die Funktion der Drüse gestört und bei einer langanhaltenden Erkrankung irreversibel zerstört.
Behandlung
Wirkstoffe wie Cyclosporin und Tacrolimus bewirken eine Modulation des Immunsystems und verhindern so diese Autoaggression. Die Tränendrüse erholt sich. Bis zum Erreichen der Normalwerte (15 bis 25 mm/min) bekommt Julchen zusätzlich noch Tränenersatz. Die lebenslange Therapie rettet dem Hund das Augenlicht.
Patient 2: Huskyrüde „Sky“, 8 Jahre alt
Vorbericht: Bei Sky hat man vor einigen Wochen ein gerötetes Auge mit begleitendem Augenausfluss festgestellt. Zunächst blieb diese Rötung nur für einen Tag, kam jedoch immer wieder. Mittlerweile war das linke Auge immer gerötet und erschien dem Besitzer glasig.
Interpretation der Befunde
Eine Rötung des Auges im Bereich des „Weißen“ deutet in der Regel auf eine Erkrankung des inneren Auges hin. Häufig wird dies jedoch als Bindehautentzündung missverstanden und wertvolle Zeit geht verloren. Bei genauerer Betrachtung fällt eine geweitete Pupille auf, die nur zögerlich auf Lichteinfall reagiert. Den glasigen Eindruck erzeugen Wassereinlagerungen in der Hornhaut. Eine Augeninnendruckmessung ergibt einen deutlich erhöhten Druck.
Sky litt an einem Grünen Star oder Glaukom. Bei dieser grausamen Erkrankung droht eine akute Erblindung. Sie wird außerdem von migräneartigen Kopfschmerzen begleitet. Bei Druckwerten von 60 mmHg (Normalwerte 10 bis 20 mmHg) bleiben etwa 24 h (!) um eine irreversible Erblindung zu verhindern. Zur Ursachenfeststellung und Abschätzung der Erkrankungsgefahr des Partnerauges sind weiterführende Untersuchungen durch einen Spezialisten unerlässlich.
Ursache
Bei Sky hat man ein Problem im Kammerwasserabfluss des Auges diagnostiziert. Der vordere Bereich des Auges ist mit Kammerwasser gefüllt, das hinter der Regenbogenhaut produziert wird und zwischen dieser und der Hornhaut das Auge über ein feines Netzwerk verlässt.
Kommt es zu Abflussstörungen, entsteht eine Situation ähnlich wie bei einem sich stetig füllenden Wasserballon. Durch den resultierenden Druckanstieg werden die inneren Anteile des Auges extrem belastet. Der Sehnerv ist dem Druck nicht gewachsen, es kommt zu Nervenschädigungen und letztlich zur Erblindung.
Verschiedene Veränderungen können zu dieser „Verstopfung“ führen. Bei Huskys (u. a.) ist eine Fehlbildung des Wasser ableitenden Netzes angeboren (Goniodysgenesie). Bei anderen Rassen (u. a. fast allen Terriern) ist das Problem häufig eine nicht stabile Linsenaufhängung. Die daraus resultierende Verlagerung blockiert den Kammerwasserabfluss und führt so zu einem Druckanstieg.
Behandlung
Husky Sky erhielt Druck senkende Medikamente, die die Produktion des Kammerwassers senkten, und solche, die den Abfluss verbesserten. Ist eine Linsenverlagerung ursächlich, kann neben Medikamenten auch eine Entfernung der Linse notwendig sein.
Julchen und Sky zeigen beispielhaft die Bandbreite der Augenerkrankungen und die Notwendigkeit weiterführender Untersuchungen. Falsche Behandlungen verursachen unnötiges Leiden des Tieres und unnötige Kosten.
Spezialisierte Tierärzte für Augenheilkunde
Eine Übersicht an spezialisierten Tierärzten für Augenheilkunde erhalten Sie bei der zuständigen Tierärztekammer. Tierärzte mit zusätzlicher Spezialisierung auf rassebedingte Augenerkrankungen sind im DOK e.V. (Dortmunder Ophthalmologen Kreis) zusammengefasst. Informationen unter: www.dok-vet.de
Beitrag: Dr. Anja Krause, Tierärztin für Augenheilkunde, Spezialistin für rassebedingte Augenerkrankungen, Mönchengladbach